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Ein philosophischer Mord (E-Book)

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E-BOOK. Ein philosophischer Mord (Sybil Potts ermittelt 2)

Eine Philosophen-Tagung bringt eine Schar illustrer Gäste in die Cressida Upthorpes Pension. Ein Punkt steht jedoch nicht auf der Tagesordnung: der Tod eines angesehenen Professors. Schnell wird Cressida zum Hauptverdächtigen. Für Sibyl Potts, ihre Untermieterin, steht fest: So ein Unfug! Die exzentrische Cressida könnte keiner Fliege etwas zuleide tun, oder etwa doch?

Mithilfe von Mr Buttons, Cressidas britischem Dauergast, beginnt Sibyl herauszufinden. Sehr zum Ärger des gestressten Polizisten Blake Wessley, der sich bald schon um eine weitere Leiche kümmern muss. Wieder gibt es keine Spur zum Täter und Cressidas guter Ruf scheint endgültig ruiniert. Doch Sibyl ist fest entschlossen, den wahren Mörder aufzuspüren …

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Kapitel 1.

Am längsten und langweiligsten Tag meines Lebens saß ich im größten und muffigsten Zimmer der Pension. Das Licht des frühen Nachmittags fällt durch alte, vergoldete Vorhänge auf die begeisterten Gesichter um mich herum. Ich habe am monatlichen Treffen des Philosophieclubs teilgenommen, obwohl ich mir das sehr wünschte, es wäre nicht so.
Philosophie war noch nie meine Stärke gewesen, und so sollte es auch bleiben. Ich fand das alles unfassbar öde, aber meine Vermieterin, Cressida, hatte auf meinem Kommen bestanden, und irgendwann hatte ich nachgegeben. Daher saß ich nun hier und wusste nicht, wie viel Zeit schon vergangen war. Es fühlte sich an wie Stunden, aber wahrscheinlich waren es nur Minuten.
Man diskutierte Immanuel Kants Texte über das ästhetische Urteil. Bisher hatte ich immer davon ausgegangen, dass es bei der Philosophie um das Studium der Existenz, der Wirklichkeit und des Lebens geht. Doch so kann man sich irren: Es stellte sich heraus, dass Sinn und Zweck des Ganzen eher war, Leute durch langweilige Monologe und abstrakte Gedanken über Katzen in Kisten umzubringen.
Ich seufzte und schaute aus einem der riesigen, viktorianischen Fenster der Pension. Vor einigen Wochen war ich in ein Cottage auf dem Gelände gezogen. Durchs Fenster blickte ich auf einen majestätischen Garten im Anfangsstadium, den der neue Gärtner wundervoll anlegte, nachdem er ihn von Mr Buttons, einem Pensionsgast, übernommen hatte. Mr Buttons war eigentlich nie als Gärtner engagiert worden, aber unter einer Zwangsstörung, die ihn ständig putzen und aufräumen ließ. Deshalb hatte er nicht nur Unkraut gejätet, sondern ebenso viele Blumen herausgezogen. Das Endergebnis erinnerte an die Wüste Sahara.
Die Pension selbst stammte aus viktorianischer Zeit und war im italienischen Stil erbaut – hatte man mir gesagt. Über Architektur wusste ich so viel wie über Philosophie. Das Gebäude ähnelte ein wenig dem Haus von Phryne Fisher in der Fernsehserie Miss Fishers mysteriöse Mordfälle, war aber nicht annähernd so glanzvoll. Das war es wahrscheinlich schon vor Jahren, aber inzwischen war es nicht mehr gut in Schuss. Die bunt gefliesten Böden waren größtenteils in Ordnung, die Muster im Außenputz auch, aber die aufwendigen, viktorianischen Geländer aus Gusseisen waren ramponiert.
Seit der neue Gärtner hier war, leuchtete der Rasen wieder grün, und die frisch angepflanzten Blumen blühten, sodass die Pension nicht mehr einem Wrack in einer Wüste glich, sondern einem Wrack in einer grünen Oase. Dem Garten hätte es auf jeden Fall gutgetan, wenn Mr. Buttons von Anfang an daraus verbannt worden wäre. Als ich an Mr Buttons dachte, wurde mir bewusst, dass er vorhin auch beim Treffen dabei gewesen war, jetzt aber nicht mehr zu sehen war.
»Nonne, Sibyl? Was denkst du?«, fragte Cressida mich ernst. Cressida war die Besitzerin der Pension. Obwohl wir nicht viel gemeinsam hatten, hatten wir uns angefreundet, seit ich in die australische Kleinstadt Little Tatterford gezogen war. Ich war der Diskussion nicht mehr gefolgt, und das wurde immer offensichtlicher.
„Äh, ich, ähm ...“, stotterte ich. »Könntest du die Frage wiederholen?«
Cressida sah mich enttäuscht an, wiederholte sie aber trotzdem. »Wir sprachen darüber, ob eine objektive Moral ohne einen Gott existieren kann. Was meinst du?« Sie schien ziemlich neugierig auf meine Antwort zu sein.
Diese kannte ich allerdings nicht nur selbst nicht, sie war mir auch völlig gleichgültig. »Ja«, entgegnete ich.
Cressida schien meine Antwort oder das Fehlen einer Erklärung nicht gerade zu begeistern, doch sie machte einfach weiter und fragte den Mann neben mir, Martin Bosworth.
Martin war ein neuer Pensionsgast und äußerlich ein Klischeeakademiker: ziemlich eifrig, aber irgendwie auch verlebt, dünn und vornübergebeugt. Sogar die abgetragene Kleidung in Senfbraun und ausgeblichenem Waldgrün passte ins Gesamtbild. Er war ein nervöser Mann, der vorübergehend hierhergezogen war, um in Ruhe und mit reichlich Abstand zu seinen, wie er meinte, nervösen Studenten und Uni-Angestellten eine Konferenz über den griechischen Philosophen Sokrates zu organisieren. Bisher war er im Gespräch recht höflich gewesen, auch wenn er soziale Kontakte so weit wie möglich zu vermeiden schien. Der Philosophieclub war eine der wenigen Ausnahmen. Ich habe mich noch einmal bemüht, mich auf die Diskussion zu konzentrieren, doch mir wurde schnell klar, dass sie mir immer noch vollkommen egal war.
Dass ich bisher noch nicht zu den monatlichen Treffen des Philosophieclubs eingeladen worden war, wusste ich auf einmal ganz neu zu schätzen. Cressida war wegen dieses Treffens besonders aufgeregt, da extra wegen der großen Philosophiekonferenz zu Sokrates, die Martin Bosworth veranstaltete, eine Koryphäe der Philosophie von der australischen Ostküste in der nahen Stadt Pharmidale weilte. Während ich dem Gespräch lauschte, erinnerte ich mich daran, wieso der alte Athener Sokrates zum Tode verurteilt hatte. Man erträgt halt nicht endlos viel Philosophie.
Ich sah mich im Zimmer um. Wären die glänzenden Laptops nicht gewesen, hätte ich mir einbilden können, in einem alten, englischen Film gelandet zu sein, dessen Handlung noch dazu vor über hundert Jahren spielt. Die antiken Möbel waren so imposant wie düster, außerdem war das Zimmer damit vollgestopft. Es sah aus wie ein Antiquitätenladen und roch auch so. Ich saß neben einem uralten Harmonium, dessen stickiger Geruch mich schnell umhaute. Auf einer Seite des Instruments fiel Licht, und das offensichtlich schon seit Jahren, so wie das Furnier dort abblätterte. Anstatt auf meinem Handy nach der Uhrzeit zu sehen, schaute ich noch mal aus dem Fenster. Die Sonne hängt über den Eukalyptusbäumen, unter denen eine Herde Herefordrinder der benachbarten Farm friedlich graste. Es war wohl 14 oder 15 Uhr, was bedeutete, dass das Treffen bald zu Ende wäre. Inzwischen stand Colin Palmer im Mittelpunkt des Gesprächs, einer der neuen Pensionsgäste. Da wir kaum miteinander gesprochen hatten, wusste ich nicht viel über ihn, aber er wirkte sympathisch.
Abgesehen von anderen, mir unbekannten Clubmitgliedern war nur noch Lord Farringdon anwesend, Cressidas Fessel Kater. Er lag auf einem Stuhl und schlief ganz fest, worum ich ihn zutiefst beneidete.
Mr Buttons kehrte mit einer Tablette voller Gurkensandwiches und Tee für alle zurück. Als er begann, das Essen auszuteilen, kommentierte das einer der Männer, die ich nicht konnte. »Oh, das ist jetzt aber doch ziemlich ungewöhnlich. Haben Sie denn kein Dienstmädchen?« Er schien erstaunt darüber.
„Oh, nein“, antwortete ich. »Sie sitzt im Gefängnis, weil sie einen Pensionsgast vergiftet hat.« Dass diese Erklärung jemand verunsichern könnte, wurde mir erst bewusst, als alle ihr Essen anstarrten und dann beiseitelegten.
Cressida blickte mich an und fragte: „Geht es dir gut, Liebes?“ Du wirkst durcheinander.«
Ich wusste, dass sie bloß das Thema wollte, aber wahrscheinlich interessierte sie mein Wohlbefinden tatsächlich, weil mein Gesichtsausdruck vermutlich gerade nicht der heiterste Krieg war. »Mir geht's gut«, erwiderte ich und zwang mich zu einem Lächeln. »Aber um ehrlich zu sein, ist Philosophie nicht gerade meine Stärke. Lord Farringdon scheint mehr darüber zu wissen als ich.« Mit diesen Worten nahm ich Lord Farringdon auf den Arm, der mit einem wütenden Miauen quittierte.